Gender-Sprech bis ich erbrech

Sprach-Nonsens zum Abwinken

«Wenn die Sprache nicht stimmt, dann ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist. So kommen keine guten Werke zustande.» Das sagte vor ein paar tausend Jahren Konfuzius. Und er hat noch immer recht. Trotz Political Correctness und Gender-Sprech-Diktat.

Freie Meinungsäusserung vs. Political Correctness – es gilt immer wieder aufs Neue, alles in der Balance zu halten.

Von Christian Nill

Täuscht der Eindruck, oder wird die Sprache mehr und mehr zu einer Art postmodernem Jekami? Ganz nach dem Motto anything goes… Anders gesagt: Findet nun auch Emanzipation (Gender-Sprech!) und Demokratisierung der Sprache statt, nachdem auch das Wissen (dank Wikipedia) und die Macht (dank Social Media) demokratisiert wurden? Darf nun einfach jeder (und jede, pardon) schreiben wie er (bzw. sie) will? Die Rede ist hier von der Form, nicht vom Inhalt. Denn es gilt die freie Meinungsäusserung, ein jeder sage, was im beliebt. Das muss auch noch im Zeitalter der Political Correctness gelten.

Aber betrifft das auch die Form? Anders gesagt: Haben heute Kategorien wie Gender (Gender-Sprech!) und Political correctness nicht zu viel Macht? Die Sprache gehört allen. Aber wir müssen ihr auch gemeinsam Sorge tragen. Das gilt insbesondere auch im Bereich Unternehmenskommunikation und Content-Marketing. Hier ist es besonders wichtig, Form und Inhalt zur perfekten Übereinstimmung zu bringen. Das geht nur, wenn die Sprache intelligent gebraucht wird.

Die gekreuzigte Jungfrau

Wenn eine grosse Boulevard-Zeitung* schreibt «Künstler kreuzigt die Jungfrau» (gemeint ist der Berg, dessen Spitze ein Künstler mit einem Schweizer Kreuz aus buntem Licht versehen hat), dann mag das vielleicht originell sein, weil reisserisch. Es ist aber auch schlicht doof, weil kreuzfalsch. Die Kreuzigung war eine Todesstrafe bei den alten Römern. Wir kennen diese Todesfolter aus der Geschichte von Jesus im Neuen Testament. Was die Boulevard-Zeitung meint, ist eher ein «bekreuzigen». Aber das klingt halt nicht so aggressiv-brutal, wie wenn eine sinnbildlich Jungfrau ans Kreuz geschlagen wird.

Sprachliche Entgleisung

Der Journalist, der diese sprachliche Entgleisung zu verantworten hat, gewichtete offenbar die – vermeintliche – Originalität höher, als den sprachlich korrekten Terminus. Das ist lediglich ein winziges Beispiel, das für einen unangenehmen Grosstrend zu stehen scheint: Wer kann heute noch korrekt schreiben? Die Word-Autokorrektur schlägt für naheliegenderweise «naheliegend erweise», «naheliegender weise» oder gar «naheliegend Erweise» vor. Was um Himmels Willen ist denn ein/eine «Erweise»?

Studiert man Facebook und Forumsbeiträge, aber bedauerlicherweise auch zahlreiche PR-Mitteilungen und hin und wieder sogar Pressepublikationen, dann scheint fast niemand mehr imstande zu sein, zusammenhängende Begriffe auch zusammengehängt zu schreiben, wie bspw. Bankdirektor (und nicht «Bank Direktor»), Online-Werbung (nicht “Online Werbung”) oder Hotel-Wellnessanlage (und nicht «Hotel Wellness Anlage»). Die Word-Autokorrektur kennt diese zusammenhängende Schreibweise nicht; deshalb scheint es heute praktisch unmöglich zu sein, eine korrekte Pressemitteilung zu erhalten. Sondern nur noch «Presse Mitteilungen».

Bitte ein paar Kebapler, aber mit scharf

Halbfertige Englischkenntnisse tragen das ihre dazu bei, dass immer öfter auch die deutsche Grammatik der englischen untergeordnet wird. Beispiel gefällig? Korrekt heisst es die Partys, die Babys oder die Storys und nicht etwa Parties, Babies oder Stories – es gilt die deutsche Rechtschreiberegelung. Und nicht etwa diejenige der Fremdsprache, wie viele meinen. Oder wie würde man denn dann den Plural von Kebap schreiben? Die Kebapler, wie es auf Türkisch richtig wäre?
Der korrekte deutscher Plural lautet: die Kebaps. Meinetwegen sogar mit scharf, man ist ja tolerant (und politisch korrekt). Denn bei der Pluralbindung von eingedeutschten Begriffen wird normalerweise schlicht ein Plural-S angehängt.

100 Prozent aller Frauen sind Frauen: Gender-Sprech schafft absurde Fakten

Die sogenannte Gender-Schreibweise hat dazugeführt, dass heute – aus politischer Korrektheit – eine Grosszahl von Texten vor lauter Redundanz («Leserinnen und Leser», «Kundinnen und Kunden» etc.) und komplizierter Personalpronomenverwendung (er/sie, ihre/seine etc.) ziemlich holprig und schwerfällig sind. Dabei bin ich der Meinung, dass die deutsche Sprache einen allgemeinen Begriff braucht, der sich jeweils auf eine bestimmte Gruppierung von Personen bezieht. Denn der Satz «30 % aller Gamerinnen und Gamer sind weiblich» macht schlicht keinen Sinn, wie korrekt man auch immer sein möchte. Genauso wenig das beliebte «weibliche Regisseurinnen» oder «weibliche Lehrerinnen».

Die Gender-Schreibweise hat ausserdem zu absurden Kreationen geführt wie der Folgenden:

«Zwei Bistrotischchen sind Trägerinnen des ersten Gohts-no-Preises der Zürcher FDP.»

Diese realsatirische Formulierung stand vor einiger Zeit im Zürcher Tages-Anzeiger. Abgesehen davon, dass es das Tischchen heisst, und somit nicht weiblich, sondern sächlich ist, grenzt es doch an komplett dadaistischen Nonsense, Bistrotischchen zu Preisträgerinnen zu küren.

Sind Männer die besseren Gynäkologinnen? Beliebte Gender-Sprech-Fehler

Bei so viel Gender-Bewusstsein ist es nicht weiter verwunderlich, dass die korrekte Benennung von Personal- oder Possessivpronomen immer mehr Menschen Mühe bereitet – auch solchen, die sich hauptberuflich auch mit Sprache beschäftigen, wie zum Beispiel Radio- und TV-Moderatoren. Schweizer Radio SRF lässt verlauten, dass «das mutmassliche Opfer an IHREN Aussagen» festhalte. Richtig wäre: Das mutmassliche Opfer hält an SEINEN Aussagen fest. Ausser man geht davon aus, dass Opfer per se weiblich seien… Gender-Sprech par excellence. Auf Tele Top sagt der VJ: «Wenn e Person all SINI Sache würd im Zimmer lagere…» Korrekt wäre: «Wenn e Person all IHRI Sache…» Im Tagesanzeiger steht: «Wie eine Person SEINE Sexualität gestaltet…» Autsch! Natürlich müsste es heissen: Wie eine Person IHRE Sexualität gestaltet. Aber hier ging der Sexus offenbar flöten.

Diese Beispieleaufzählung lässt sich beliebig verlängern.

Noch ein Beispiel für Irrungen und Wirrungen im Umgang mit der Sprache: Kürzlich schrieb eine Autorin, die sich ganz und gar der Gender-Thematik verschrieben hat, in ihrem Blog folgendes: «Ich glaube keineswegs, dass Frauen die besseren Gynäkologinnen sind.» Tja, was dann? Sind Männer etwa die besseren Gynäkologinnen? Ist das dann noch political correct?

Keine Willkürlichkeit in den Worten

Auch in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens SRF lässt man sich zu solcherlei angeblich geschlechterkorrekten oder Gender-gerechten Sprachkreationen verleiten: «Die Post bekommt die erste weibliche Chefin.» Bislang waren also ausschliesslich männliche Chefinnen am Ruder. Oder ohne Sarkasmus: Man kann es auch übertreiben. Sprechen wir doch einfach von Menschen.

Die Verwirrung im korrekten Umgang mit der Sprache ist heute gross. Warum sollte man auch noch selber denken, wenn es Computer- und Smartphone-Autokorrekturen sowie zahlreiche «Vorbilder» in Medien und Wirtschaft gibt, die vor lauter Korrekt-sein-Wollen vergessen haben, dass die Sprache zwar Allgemeingut ist, aber dennoch mit Respekt behandelt werden sollte? Sprache ist definitiv kein Jekami. Political Correctness hin, Gender-Sprech her.

Das wusste auch Konfuzius. Sein Zitat endet so:

«Wenn das, was gesagt wird, nicht das ist, was gemeint, ist, dann kommen keine guten Werke zustande. (…) Also dulde man keine Willkürlichkeit in den Worten. Das ist es, worauf es ankommt.»

(Text: Christian Nill)

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* Die Blick-Story über die gekreuzigte Jungfrau ist immer noch online:

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